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29

Jun

Das Oxymoron weiblicher Führung.

Und es trotzdem zu tun.

Wieder und wieder höre ich Ralfs Worte in meinem Kopf. “Ist echt toll, dass Du als Mädchen Schülersprecherin bist”. Ich bin siebzehn Jahre alt und bin gerade gewählt worden. Ralf war vor mir Schülersprecher und wir hatten in der SV auch schon zusammengearbeitet. Seine Worte überraschen und verblüffen mich. Ich war schon vor dieser Wahl Jahrgangsstufensprecherin, habe oft Mitschüler unterstützt und mich in Schulbelangen engagiert (und natürlich in der Friedensbewegung, wir sind in den 80er Jahren!). Daher war für mich die Wahl zur Schülersprecherin eine sehr natürliche und eher logische Angelegenheit und ich hatte keinen Zusammenhang zwischen meinem Geschlecht und dieser Kandidatur gesehen. Bei anderen Vorlieben von mir war ich die Bemerkungen gewöhnt: mein begeistertes Fussballspielen in der Klassenmannschaft und im Verein wurde immer dementsprechend kommentiert, und das hat mich nie so gestört, da die Unterschiede in den Körperkräften nun mal da waren. Der Kommentar von Ralf hatte da einen ganz anderen Charakter. Meine Ambition und Fähigkeit “zu führen” bekam wegen meines Geschlechts den Stempel des aussergewöhnlichen. Und in dem Moment habe ich gelernt, dass was ich will und was ich tue von anderen durch eine Brille der Geschlechterstereotype interpretiert wird. Und in dem Moment habe ich entschieden, dass ich die entsprechenden Erwartungen zur Kenntnis nehmen, in Betracht ziehen und dann meiner inneren Stimme folgen werde. Wenn immer ich eine Führungsrolle anvertraut bekomme, werde ich diese annehmen, wenn sie richtig für mich ist und ich die Richtige für die Organisation bin. In meiner Karriere gab es viele “Ralf-Momente”. Immer wieder habe ich Notiz genommen, überlegt und dann entschieden, meiner Ambition zu folgen. Kein Vorurteil soll die Macht haben, meine Entscheidungen zu limitieren. Wenn Sie eine weibliche Führungskraft sind, lernen Sie den Unterschied zwischen Ihrer Ambition und den Erwartungen anderer. Entscheiden Sie und lernen Sie, die eventuellen Spannungen klug zu navigieren. Als männliche Führungskraft können Sie Ihre eigenen geschlechtsspezifischen Erwartungen wahrnehmen und vermeiden, Ihre Kolleginnen, Chefinnen und Mitarbeiterinnen mit diesen zu limitieren.