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14

Okt

Wahrnehmung und Realität

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Ist Ihnen das auch schonmal passiert? Da bekommen Sie Feedback und ihr spontaner Gedanke ist “Meine Güte, das ist echt nicht fair!” und laut sagen Sie, um bloss nicht defensiv zu wirken: “Wahrnehmung ist Realität.” (in englischsprachigen Arbeitszusammenhängen heisst das “perception is reality”).Was gleichbedeutend ist mit “Schluck’s runter, hinterfrage das Feedback nicht, so ist es halt.” Dieses “perception is reality”-Syndrom irritiert mich, seit ich es das erste Mal gehört hat. Diese Irritation hat verschiedene Aspekte, heute spreche ich über einen davon:

Es stimmt – wenn Wahrnehmung gleich Gefühl ist, dann sind die Gefühle, die wir in anderen wecken, Realität. Eine sehr wirkungsvolle Realität,  die stark bestimmen wird, wie die andere Person sich zu uns verhält. Gleichzeitig hat die Neurowissenschaft in vielen spannenden Experimenten gezeigt, wie lang und schwierig der Weg von der Realität (was in der physischen Welt passiert) hin zur Wahrnehmung ist (die Rechtsextremen sind hierfür ein trauriges, aktuelles Beispiel. In den Bundesländern mit den wenigsten Geflüchteten sind die fremdenfeindlichen Ängste am höchsten. Das wird von den Rechten als Argument herangezogen, den Zuzug von Geflüchteten zu begrenzen. Für mich belegt es das Gegenteil: wenn die Präsenz von Flüchtlingen negativ mit Fremdenfeindlichkeit korreliert, ist das noch ein guter Grund mehr, unser Asylrecht humanitär auszulegen…). Also, Wahrnehmung ist Realität, insofern sie die Gefühle and das Handeln einer Person prägen wird – aber sie ist nicht unbedingt “real” im Sinne einer akkuraten Reflexion dessen, was in der realen Welt geschieht. Wenn Sie Feedback erhalten, betrachten Sie es mit den weisen Worten des Nobelpreisträgers Daniel Kahnemann: “Er hatte einen Eindruck, aber manches dieses Eindrucks waren Illusionen.” * Und dann schauen Sie, was es Gutes für Sie in dem Feedback gibt:

  1. Was sagt es über den Feedback-Geber aus, seine Absichten, Normen und Erwartungen? Was bedeutet das für Sie?
  2. Was möchten Sie daraus lernen, wie können Sie es für Ihr persönliches Wachstum lernen?

*Daniel Kahnemann, Thinking, Fast and Slow (London, Penguin Books, 2012). Eigene Übersetzung